Tafel 32
Tafel vorlesen lassenDie Juden werden abtransportiert (Katalog 34)

Deutschland sollte "judenrein" werden, zuerst durch Vertreibung, ab 1939/40 durch zwangsweisen Abtransport in Gebiete außerhalb Deutschlands (in besetzte polnische Gebiete und nach Südfrankreich). Ab Oktober 1941 wurden die Juden systematisch in Arbeits- und Vernichtungslager (zumeist in Polen) deportiert. Gleichzeitig wurde die Auswanderung für Juden verboten: Kein Jude sollte der Ausbeutung durch Zwangsarbeit und der anschließenden Vernichtung entkommen. Deportation bedeutete:

  • Zustellung des Deportationsbefehls
  • Befehl, sich am Tag der Deportation am Sammelplatz, Große Hamburger Straße, einzufinden
  • Zugelassenes Reisegepäck: 1 Handkoffer
  • Konfiszierung des zurückgelassenen Vermögens, Verlust der Staatsbürgerschaft, Zuweisung der Wohnungen an Arier
  • Verladung in Viehwaggons, tagelange Fahrt ohne Lebensmittel
  • Bei Ankunft im Lager Aufteilung in Arbeitsfähige und Arbeitsunfähige
  • Sofortige Vernichtung der Alten, Kranken und Kinder. Ausbeutung der Arbeitskraft der anderen in Betrieben der deutschen Rüstungsindustrie bis aufs letzte.

Am Ende stand die planmäßig durchgeführte Vernichtung von über 6 000 000 Juden.

Verschiedenen Dahlemer Gemeindeglieder haben zu Juden aus Stettin, die im Februar 1940 nach Belzyce bei Lublin deportiert wurden, Kontakt aufgenommen. Pakete wurden von Dahlem in das Lubliner Lager geschickt. Die Korrespondenz mit den nach Belzyce deportierten Juden erweckte bei den Dahlemern den Eindruck, dass die Menschen dort zwar unter äußerst harten Bedingungen, aber immerhin doch noch so leben konnten, dass man ihnen mit Paketen helfen könne.

Zwei Briefe aus dem Konzentrationslager.

Diese Frau bittet um Kleidungsstücke:

Postkarte aus Belzyce

Belzyce, den 1.8.1940

Sehr geehrte gnädige Frau!
Sie haben mich wiederum durch ein so schönes Paket erfreut und wieder war etwas drin, was mich so ganz besonders erfreute! In der vorigen Woche bekam ich einen blauen Rock mit Weste. Ich habe ihn für mich geändert und dachte noch am Morgen "wenn ich nun doch auch eine Bluse hätte" und mittags war sie durch ihre Güte da. sogar 2. Ich danken Ihnen sehr herzlich Auch das Kleid konnte ich sehr gut gebrauchen wie auch die anderen Sachen. Ihre Güte ermutigt mich zu einer großen Bitte: Mein Mann (leider 1,96 groß) trägt seit 12.2. den einzigen Anzug, er hat sehr gelitten, viell. ist in Ihrem Bekanntenkreis oder Frauenhilfe Ersatz (auch getrennt) zu haben? Seien Sie bitte nicht böse, nur die Not zwingt mich hierzu.

Mit nochmals herzlichem Dank und freundlichem Gruß bin ich
Ihre Gertrud Meier

Diese Frau bittet Helmut Gollwitzer um Rat; sie hofft, dass sie als "Arierin" nach dem Tode ihres jüdischen Mannes wieder nach Deutschland zurück darf:

Postkarte aus Belzyce

Belzyce, den 11.8.1940

Werter Herr Pfarrer!
Erlaube mir Ihnen mitzuteilen, dass mein l[ieber] Mann nach kurzem schweren Leiden nach Gottes unerforschlichem Ratschluss verstorben ist. Bitte Sie hiermit um einen Rat und Hilfe, dass ich in das Altreich zurück darf.

Im Voraus meinen Dank grüßt
Hildegard Baer geb. Weiß

Als die systematischen Deportationen der Juden aus Deutschland anfingen, bekam Gollwitzer von seinen Gemeindegliedern zahllose Briefe. Sie zeugen von dem Jammer über die Deportationen, von der Angst: Was passiert mit den deportierten Juden? Und der noch Größeren: Wann bin ich an der Reihe?

" … Wie ist der Jammer jetzt groß unter unseren armen Nichtariern, die nun der Heimat entrissen, in Not und Elend gestoßen werden. Am 19. [Oktober 1941] verließ der erste Transport Berlin und weitere werden in Kürze folgen. Da bin ich jetzt viel unterwegs gewesen, um immer wieder mit diesem furchtbaren Ohnmachtsgefühl, nicht helfen zu können, heimzukehren. Ja, wann endlich wird Gott denen in den Arm fallen, die das alles verschulden? …"

(Hedwig Grüner an Gollwitzer am 22.10.1941)

" … Zu Herrn Preuß muss ich Ihnen leider sagen, dass er schon fort ist seit Donnerstag nach Totensonntag. Sein Transport ging nach Riga, doch soll es so sein, dass sie für kurze Zeit - ca. 4 Wochen - einen richtigen Pass ausgestellt bekommen, der dann nicht wieder erneuert wird und das bedeutet dann, dass sie in nicht geringer Zahl abgeholt und erschossen werden. Mein Vater reiste in diesen Tagen als Schauspieler nach Riga, wir hoffen, das er ergründen kann, ob Herr Preuß noch existiert …"

(Anna Helene von Bodenhausen an Gollwitzer am 3.1.1941)

" … Hier ist augenblicklich wieder eine böse Welle. Neben dem Abtransport der Alten ins Protektorat, von dem Sie wohl schon gehört haben, gehen auch wieder Transporte nach dem Osten, die wohl infolge der vielen „Verschwundenen“ sehr rigoros gehandhabt werden. Von meinen Kollegen wird jetzt auch ein hoher Prozentsatz (etwa 50%) abgebaut. Ich werde wohl nicht dabei sein, falls ich nicht doch noch im letzten Augenblick als Ersatz für einen anderen, dem es glückt, sich reklamieren zu lassen, einspringen muss. Das ist aber nicht sehr wahrscheinlich, so daß ich hoffe, wieder etwas Luft zu haben …"

(Georg Hamburger an Gollwitzer am 14.8.1942)

Die Deportation der Juden

Der letzte Schritt: Vernichtung aller "Volksfeinde"

Sommer 1941

Entschluss zur "Endlösung der Judenfrage". Alle europäischen Juden sollen vernichtet werden, mit ihnen alle Kriminellen, Homosexuellen, politischen Schutzhäftlingen, polnischen und sowjetischen Kriegsgefangenen (vor allem Kommissare der "Roten Armee").

Bis 1942

Bestehende Konzentrationslager in Polen werden zu Vernichtungslagern ausgebaut: Auschwitz, Birkenau, Chelmo, Sobibor, Maidanek, Treblinka u.a.

Januar 1942

"Wannseekonferenz" in Berlin-Wannsee. Die Vernichtungspläne werden den beteiligten Behörden bekanntgegeben.

Neue Züricher Zeitung vom 16.2.1940. Schon über die erste Deportation von Juden wird in der Auslandspresse ausführlich berichtet.

Neue Züricher Zeitung vom 16.2.1940. Schon über die erste Deportation von Juden wird in der Auslandspresse ausführlich berichtet.

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